Vortrag über die Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der CEB Akademie

HILBRINGEN Die Zahl der Salafisten im Saarland ist nach Erkenntnissen des saarländischen Verfassungsschutzes gestiegen. Laut dem Jahresbericht 2017 stehen etwa 250 statt bisher 200 Personen unter Beobachtung. Was aber macht die religiöse Strömung überhaupt attraktiv? Über die Radikalisierung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat Zakariyya Meißner vom Projekt „Yallah! Fach- und Vernetzungsstelle Salafismus im Saarland“ kürzlich in der CEB Akademie in Hilbringen gesprochen.

Salafismus ist eine Strömung des Islamismus, die sich von „al-salaf al-salih“, den „rechtschaffenen Altvorderen“ ableitet, erklärte Meißner. Die Anhänger orientieren sich streng an der Frühzeit des Islam. „Die salafistische Szene hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt“, sagte Meißner. Es gebe keine großen Vereine mehr, dafür viele kleine lokale Verbände. Die Ideologie sei ähnlich, „aber nur ein sehr geringer Teil ist gewaltbereit.“ Meißner sprach von etwa zehn Prozent.

Zur Ideologie zähle unter anderem die absolute Souveränität Gottes in allen Lebensbereichen, auch im Staat und in der Gesellschaft. Demokratie lehnen die Salafisten ab. „Doch das ist relativ wahllos, an einer roten Ampel bleiben sie beispielsweise trotzdem stehen“, sagte Meißner. Salafisten benutzten auch Handys oder Autos, obwohl sie ideologisch zum Vorbild der Vorfahren, einem vermeintlich reinen Islam, zurückkehren wollten. Zudem lehnten Salafisten andere Religionen und islamische Strömungen wie den „Mainstream-Islam“ ab. Abgrenzung sei generell ein wichtiger Gedanke, sagte Meißner: von Familien, Freunden, Hobbys – es zähle nur noch die Loyalität für die islamistische Lebensweise.

Die Attraktivität des Salafismus ließe sich über die „drei W“ und die „drei G“ definieren, die der Verein ufuq.de formuliert habe. Die „drei W“ stehen für Wissen, Wahrheit und Werte, erklärte Meißner. Das Wissen sei einfach und basiere auf vermeintlich religiös fundierten Aussagen und Begründungen wie „Islam is simple. Culture ist complicated“. Salafisten vermittelten zudem das Gefühl, sie seien Vertreter der einzig wahren Wahrheit, sagte Meißner. Wenn man diese Wahrheit kenne, sei alles ganz einfach. Die Werte sind klar abgegrenzt in richtig oder falsch, gut oder böse. Während eine westlich gekleidete Frau in die Hölle komme, gelange eine verschleierte Frau in den Himmel. Die drei W seien für Jugendliche so relevant, weil sie das Gefühl bekommen, die Welt zu verstehen, und weil sie stolz darauf seien, dieses Wissen weitergeben zu können, sagte Meißner. Die „drei G“ stünden für den Gehorsam durch charismatische Autoritäten, die Gerechtigkeit durch die Solidarität mit Unterdrückten und Gemeinschaft. Soziologischer und ethnischer Hintergrund seien unwichtig. „Egal ob Türke, Araber oder Osteuropäer, du bist gleich unter Gleichen, einer von uns“, drückte Meißner dieses Gemeinschaftsgefühl aus. Für weibliche Anhänger sei besonders attraktiv, dass die Rolle der Frau aufgewertet werde. Es gebe keine Gleichberechtigung, sondern vielmehr Gerechtigkeit. Weil Gott die Männer und Frauen ungleich geschaffen habe, etwa bezüglich des Körperbaus, hätten sie auch unterschiedliche Rechte und Pflichten, erklärte Meißner.

Prävention sieht Meißner vor allem durch Aufklärung, sowohl im Umfeld der Jugendlichen als auch bei den Jugendlichen selbst. In konkreten Fällen sei auch eine individuelle Betreuung denkbar. Letztendlich sei es wichtig, das schulische und auch familiäre Umfeld zu fördern und von vorneherein einer möglichen Diskriminierung entgegenzuwirken.

(Text: Ruth Hien)