Ein kultureller Abend mit Text und Musik hat das Thema „Weltende“ aufgegriffen

HILBRINGEN Ein intimer Moment. Frank Grandjean streicht mit der flachen Hand über den Körper seines Kontrabasses. Kreisende Bewegungen, von oben nach unten und zurück, mal langsamer, mal schneller. Die Bewegungen erzeugen sanfte Töne, die man diesem tiefen klingenden, großen Streichinstrument gar nicht zutrauen mag. Grandjeand versinkt in seinem Instrument, wie die Besucher in seiner Musik zu versinken scheinen. Stilbrüche, wenn der Kammermusiker mit dem Bogen auf die Saiten tupft, streichend dunkle Töne erzeugt, mit der zur Faust geballten Hand auf den Instrumentenkörper klopft, einmal, zweimal. „Das Ende der Welt“, sagt Professor Wolfgang Werner in die folgende Stille hinein.

Weltende, so lautete das Thema der zweite Veranstaltung „ppp – text und musik im museum“, die kürzlich in Kooperation mit der CEB Akademie im Museum Sammlung Zimmer in Hilbringen stattgefunden hat. Ppp steht für philanthropisch-philharmonische Psychologie. Zu Beginn stellte Werner die Frage in den Raum, was die Welt überhaupt ist. Seit wann es sie gibt und was kommt, wenn sie einmal verschwinden sollte. Mit Gedichten, Geschichten, Anekdoten und einem Brief eines ehemaligen Patienten hat der Psychiater den knapp 30 Besuchern Ansichten zum Weltende dargeboten und Impulse gegeben, diese für sich selbst zu interpretieren. „Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken. Die meisten Menschen haben einen Schnupfen. Die Eisenbahnen fallen von den Brücken“, zitierte Werner etwa aus dem Gedicht „Weltende“ des jüdischen Dichters Jakob van Hoddis, das 1911 veröffentlicht wurde. Mit diesem  Schlüsselgedicht habe er die Apokalypse wie ein Seismograph vorausgesagt.

Auch die Kunst sei ihrer Zeit voraus, heißt es oft. Passend dazu lag das Augenmerk im ersten Teil des Abends auf „bad dream“ von Rainer Fetting. Auf dem Bild, 1991 gemalt, ist das World Trade Center in New York zu sehen. Während noch nicht absehbar ist, dass zehn Jahre später zwei Flugzeuge in die Twin Towers fliegen, nimmt der Künstler in diesem Bild die Perspektive der Piloten ein. Mit kräftigen Farben gemalt und einer mitreißenden Dynamik fliegt ein Flugzeug auf die New Yorker Skyline zu. Das Bild gab der Bedeutung unserer Welt einen zeitgemäßen Ausdruck, sagt Werner. Und dann: „Am 11. September 2001 fielen Flugzeuge vom Himmel und mit ihnen schied eine Welt in den Tod.“   

In einem beeindruckenden Zusammenspiel wechselten sich Werners Worte mit den Darbietungen von  Frank Grandjean (Kontrabass) und Michael Christensen (Klavier und Klarinette) ab. Grandjean, unter anderem Kammermusiker im Saarländischen Staatsorchester, lässt mit seinem Kontrabass berührend tiefe Töne erklingen. Der Saarbrücker Konzert-Pianist Michael Christensen entlockte dem E-Piano, tief darüber gebeugt und scheinbar vollkommen versunken, ebenso gefühlvolle wie kraftvolle Klangfolgen. Hohe, fast fröhliche Töne, mischte er mit der Klarinette dazwischen.

Werner zitierte Robert Walsers Kurzgeschichte „Der Traum“ (1914), Else Lasker-Schülers Gedicht „Weltende“ (1905). Er wies darauf hin, dass der Physiker Isaak Newton das Ende der Welt für das Jahr 2060 vorausgesagt hat. In 42 Jahren werden sicherlich noch viele Besucher des Abends leben, zeigt sich Werner überzeugt, und hält mit Theodor Fontanes Gedicht „Es kribbelt und wibbelt weiter“ (1895) eben jenes fest. Die Lebensbedeutung bestehe darin, die Welt froher zu gestalten, nicht schwieriger. Der Mensch habe eine Verantwortung für das Hier und Jetzt.

Die Schlussmusik, eigens für diese Veranstaltung komponiert, trug die Besucher noch einmal von dannen. Die Bilder betrachtend, die Augen geschlossen oder mit einem Fuß im Takt wippend lauschten sie der Anlehnung an die Oper „Der Sturm“ nach dem gleichnamigen Theaterstück von Shakespeare, die derzeit im Saarländischen Staatstheater läuft. Hinter dem Abend steckt viel Arbeit, erklärte Werner am Rande der Veranstaltung. Die Komposition des Schlussstücks, stundenlange Proben, alleine, die Musiker gemeinsam, zu dritt. Die letzten Töne verhallen in den weitläufigen Räumen des Museums. „Das Stück ist beendet, die Welt lebt noch“, schließt Werner.

Die nächste Veranstaltung zum Thema Einsamkeit findet am Donnerstag, 22. November, im Museum Sammlung Zimmer statt.

(Text: Ruth Hien)